In den 1980er Jahren, als China zaghaft begann, sich der Welt zu öffnen, bereiste derr englische Reiseschriftsteller Colien Thubron einige Monate lang das Reich der Mitte. Da er Mandarin konnte, war er in der Lage, mit einfachen Menschen ebenso zu sprechen, wie mit den Angestellten der staatlichen Macht. Sein Ehrgeiz bestand darin, sehr nah am Volk zu reisen, was dazu führte, dass er gelegentlich in Hutong Unterkünften auf Eisenbetten mit Strohmatten oder gleich unter freiem Himmel schlief. Seine Fortbewegungsmittel sind die Busse der Einheimischen, die Hart-Seater Waggons der chinesischen Eisenbahn, nur selten die Polster, Classe oder ein Taxi. Obwohl er ein erfahrener Reisender ist, versetzt ihn die komplette Fremdheit seiner chinesischen Umgebung gelegentlich in Trübsinn und Melancholie. Aus dieser Stimmung heraus, aber auch aus der exzellenten Beobachtungsgabe des Autors und seiner poetischen Sprache er wächst ein Reisebuch,
wie es nur wenige gibt. Seitdem ich durch China reise, führe ich es bei mir und lese immer aufs Neue in ihm. Thubrons Sprache und sein Habitus sind für mich wie ein Memento Mori gegen Oberflächlichkeit und Stereotypisierungen. Es gelingt ihm scheinbar mühelos von Alltagsgeschehnissen, Tempelbesuchen oder Wanderungen hinter dem Besonderen das Allgemeine zu entdecken und es so leicht und locker vor den Augen des Lesers zu entfalten, als ziehe ein Zauberer den Vorhang zurück. Ein Reisebuch der absoluten Spitzenklasse, das auch Jahrzehnte nach seinem Erscheinen nichts von seiner Aktualität eingebüßt hat. Denn China hat sich seit den letzten beiden Generationen zwar wirtschaftlich neu erfunden, der Chinese, der in diesem Buch in Erscheinung tritt, aber ist der gleiche geblieben.