Indridason: Nordermoor

 Heute werden Kriminalromane als Gesellschaftsromane, teilweise auch als Reisefeuilletons, gelesen. Es ist deswegen nicht die schlechteste Idee als Vorbereitung auf eine Reise einen Kriminalroman zu lesen. Das gilt für die Bretagne, Venedig und ganz besonders für die skandinavischen Länder. So kam ich im Vorfeld einer Islandreise auf „Nordermoor“, den bekanntesten Islandkrimi des isländischen Schriftstellers Arnaldu Indiridason.
  Der Roman beginnt mit dem Mord an einem pensionierten Lastwagenfahrer in Nordermoor, einem Vorort von Reykjavik. Ein alter Mann wurde mit einem Aschenbecher erschlagen und Kommissar Erlendur, steht vor einem Rätsel. Kommissar Erlendur ist eine isländische Bonsaiausgabe von Hendrik Mankells Kommissar Wallander, ein Mann in den Fünfzigern, nicht besonders redselig, von zwei missraten Kindern geschlagen und geschieden.  Erst nach und nach ergeben seine Recherchen, dass der Ermordete ein Lump und Vergewaltiger gewesen war, der jede Menge Schandtaten auf dem Kerbholz hat.  Bei der schrittweisen Entfaltung dieser Nachforschungen erweist sich der Autor als Meister des Kriminalromans, denn er präsentiert nicht nur eine Reihe interessanter Charaktere, sondern versteht es, neue Informationen scheibchenweise so in die Handlung einzuflechten, dass der Leser bis kurz vor dem Finale ebenso wie der Kommissar vollkommen im Dunklen tappt.  All das vollzieht sich von der Kulisse eines düsteren, herbstlichen Islands, das immer aufs Neue beschworen wird.  „Regen, der auf die Straße nach Keflavík niederging, sammelte sich in tiefen Spurrillen, denen die Autofahrer tunlichst auswichen. Es waren derartige Wassermassen, dass man kaum durch die Scheiben blicken konnte. Sie waren von einem dichten Schleier überzogen und vibrierten unter den stürmischen Böen aus Südost. Die Scheibenwischer konnten nicht gegen diese Fluten ankommen, und Erlendur umklammerte das Steuer so fest, dass die Knöchel weiß wurden.“     Wie der Fall gelöst wird, soll hier natürlich nicht verraten werden, aber das Ende ist auf jeden Fall ebenso überraschend wie überzeugend. Es verbindet alle Teile einer komplexen Geschichte in einem durchaus tragischen Finale.