Nichts als eine natürliche Wanne, in der sich das Wasser aus einem Felsen sammelt – so beschreibt Michael Obert die Quelle des Niger im Grenzgebiet von Guinea und Sierra Leone. Über 4.100 Kilometer Länge wird der drittgrößte Fluss Afrikas von hier aus durch Westafrika fließen, erst nach Nordosten durch den größten Teil Malis, wo er in der Umgebung von Timbuktu den Südrand der großen Wüsten streifen wird, um dann in einer dramatischen Ostkurve durch die Regenwälder Nigerias am Golf von Benin in den Atlantischen Ozean zu münden. Was für ein Weg, und was für eine Reise.
Ein ganzer Weltteil bildet das Bühnenbild für eines der größten Reiseabenteuer unserer Zeit: die Befahrung des Niger von der Quelle bis zur Mündung. Dörfer und Savannen, Wüsten und Sümpfe, Krokodile, Elefanten, Schlangen und immer wieder Menschen in ihren vielfältigen Erscheinungsformen als Bauern und Reisende, als Plünderer, Zauberer oder Politiker kommen und gehen auf der schier unendlichen Reise über den großen Fluss.
Das allein ist schon eine imponierende Angelegenheit – aber noch beeindruckender ist die Art, in der Obert von dieser Reise erzählt. Unterstützt von seinem sonnenenergiebetriebenen kleinen Taschencomputer „Delphi“ präsentiert der Autor dem staunenden Leser die Pflanzen, Tiere, Speisen und Riten Westafrikas, dazu Unwägbarkeit und Abenteuer in einer Kurzweiligkeit, die längst nicht alle Reisebücher aufweisen. Dabei ist die Reise alles andere als ungefährlich: im Grenzgebiet von Sierra Leone und Guinea muss sich Obert durch Rebellengebiete schleichen, in denen Reisenden die Hände abgehackt werden. Mehr als einmal müssen schultertiefe Furten durchwatet werden, ohne zu wissen, wo gerade die Krokodile lauern. Umso beeindruckender die unbeirrbare Zielstrebigkeit, mit der der Autor seinen Weg sucht und am Ende auch findet.
Ich habe das Buch in Vorbereitung einer Westafrikareise geradezu verschlungen. Zuerst zur Unterhaltung, dann aber immer mehr wie eine „Einführung in Westafrika“ als die das Buch auch zu lesen ist. Alles in allem: Allererste Sahne: Unprätentiös, authentisch und nicht zuletzt auch in einer Sprache geschrieben, die dem großen Thema angemessen ist.