Dass sich zwei Menschen trennen, gehört zu den Lebenshärten, mit denen sich die meisten Leute irgendwann einmal auseinandersetzen müssen. Unsere Literatur ist voll von dergleichen Geschichten, von Dramen, Komödien und Kriminalromanen, in denen die Trennung in ein mitunter sogar in ein Verbrechen mündet. So weit so menschlich. Aber wie verhält es sich im interkulturellen Vergleich? Trennt sich das kurdische Paar anders als das mexikanische? Trennen sich Europäer anders als Japaner? Welche kulturspezifische Partituren aus Schuldgefühle, Exzessen und Leidenschaften kommen in unterschiedlichen Ländern zum Tragen? Das hatte mich im Hinblick auf eine geplante Japanreise interessiert, und deswegen griff ich zu dem vorliegenden, von unseren Feuilletongiganten hochgelobten Buch, in dem eine solche Trennungsgeschichte beschrieben wird.
Zunächst zur Handlung: Das Buch beginnt damit, dass die scheue, sehr introvertierte Noyuri entdeckt, dass ihr Mann, der Softwareingenieur Takura, eine Geliebte hat. Noyuri reagiert verunsichert, gelähmt, verstört und verhält sich erst einmalweiter so, als sei nichts geschehen. So vergehen die Monate, Takura und Noyuri leben weiter zusammen, reden aber kaum noch miteinander – aber auch die Affäre des Ehemannes läuft weiter. Noyuri lernt bei ihrer Tätigkeit als Zahnarzthelferin den jungen Enjii kennen, einen groben Mann, der sie begehrt, der ihr aber zu hässlich ist. Sie bleibt sogar sprachlos, als sie von Satomi, der der Geliebten ihres Mannes, angerufen und zum Essen eingeladen wird. Alles läuft bei ihr verzögert ab, selbst die Gefühle und die körperlichen Symptome stellen sich verspätet ein. Auch der Ehemann erscheint dem Leser wie eine Blackbox, seine Gesten und Gefühlsäußerungen sind so sparsam, dass es fast schon an Autismus grenzt, seine Brille, seine Wohnung, seine Kleidung alles ist auf das Pedantischste geputzt, ein echter Japaner, könnte man meinen. Nur im Hinblick auf die Geliebte Satomi scheint er Gefühle zu empfinden, er will sie heiraten, selbst nachdem diese das gemeinsame Kind hat abtreiben lassen. In dieser Situation reist Noyuri mit einer entfernten Freundin, der extravertierten Tomoko, in ein Luxusressort nach Okinawa, wo sie kräftig auf den Putz hauen, ohne dass dieser Urlaub Noyuri weiterbringt. Danach wird der Ehemann nach Kobe versetzt, und Noyuro begleitet ihn in seine neue Bleibe, sie nimmt wieder eine Stelle als Arzthelferin an und tröstet nebenbei ihren Onkel Makoto, den seine Frau wegen einer Affäre herausgeworfen hat. Auf die Idee, es genauso mit ihrem Ehemann zu halten kommt sie nur ganz kurz. Erst als Noyuri erfährt, dass Takura noch eine weitere Affäre mit einer Kollegin hatte, zieht sie endlich in ein kleines Apartment, grübelt vor sich hin und entdeckt zu ihrer Überraschung, dass das Alleinleben doch nicht so furchtbar ist, wie sie dachte. Dann und wann taucht nun sogar ihr Mann wieder bei ihr auf, bei dem nach dem Auszug seiner Frau offenbar nicht alles nach Plan verläuft. Doch je mehr sich Takura wieder seiner Gattin zuwendet, desto mehr wird Noyouri klar, dass sie sich von ihrem Mann scheiden lassen will. So endet das Buch.
Wie ist das Bucch gelungen? Der Charakter der Protagonistin und der Erzählduktus des Buches passen sehr gut zusammen, wobei ich aber nicht weiß, ob das ein Vor- oder ein Nachteil ist. Kurz Sätze, Aneinanderreihung belangloser Einzelheiten, Figuren, die auftauchen und verschwinden, ohne eine ersichtliche formale Funktion zu erfüllen, schaffen eine Stimmung fast quälender Langeweile: eine Protagonistin und ein Buch, die gemeinsam auf der Handbremse stehen. Die Kritik nannte das „schnörkelloses Erzählen“. Ich empfand den Erzählduktus als „ausgebleicht“, ohne Farben, Stimmungen und Töne. Eine Episode folgte auf die nächste, ohne dass ihr Bezug zum Gesamtgeschehen deutlich würde. Nur eines fällt mir als Ehrenrettung des vorliegenden Buches ein: es ist genauso banal wie die meisten Trennungen, die nicht in einem großen Crescendo zu Ende gehen sondern einfach vergammeln wie eine alte Banane, die niemand mehr schälen will. Das scheint in Japan wohl auch nicht anders zu sein als in „good old Germany.“