Buhrow/Stamer: Mein Amerika, dein Amerika
An den USA scheiden sich die Geister, und manchmal hat man das Gefühl, Europäer verdammen dieses Land um so mehr, je weniger sie es kennen. Tom Buhrow und Sabine Stamer kennen die USA aus ihrer Journalistentätigkeit der Jahre 1994-2006 sehr genau und entsprechend differenziert versuchen Sie den Leser an das große, unbekannte, viel geliebte und viel gehasste Land jenseits des großen Teichs heranzuführen. Wie es sich für ein gutes Reisebuch gehört, erzählen die Autoren so weit wie möglich aus erster Hand. Wenn Sie über Verbrechen und Kriminalität in den USA berichten, liest man, wie den Buhrows ihr Auto gestohlen wurde und die Polizei binnen kürzester Zeit den Wagen wieder beschafft. Die Darstellung des amerikanischen Bildungssystems nimmt ihren Ausgangspunkt am Schulalltag der eigenen Kinder. Über die amerikanischen Konsumgewohnheiten wird der Leser informiert, indem er Tom und Sabine (so treten die beiden im Buch auf) während des Shoppings in einer Mall über die Schulter schaut oder mit ihnen leidet, wenn sie deprimierende Erfahrungen mit amerikanischen Handwerkern machen müssen. Damit sich das USA-Porträt aber nicht nur auf eine familiären Froschperspektive beschränkt, werden die persönlichen Beobachtungen durch sparsam, aber treffsicher ausgewählte allgemeine Informationen über Politik, Kultur, Geschichte und Gesellschaft in größere Zusammenhänge eingeordnet, wobei es Tom und Sabine gelingt, immer einen unaufdringlichen und unterhaltsamen Erzählstil beizubehalten. So entsteht auf 284 Seiten und zehn Kapiteln ein knappes, aber prägnantes Porträt der USA entlang der Themenfelder von Liebe und Sex, Kriminalität, Konsum- und Ernährungsverhalten, Ethnien, Religion und nationale Integration, immer unter besonderer Berücksichtigung der Unterschiede zu Deutschland. Dass die Perspektiven der beiden Autoren dabei nicht immer deckungsgleich sind, tut der Lesbarkeit keinen Abbruch, sondern zeigt ganz unaufdringlich, wie abhängig die eigenen Einschätzungen immer auch vom Vorverständnis bleiben. So erscheint Tom Buhrow in seinen Urteilen genauso wie wir ihn aus den Tagesthemen kennen – verbindlich, freundlich und verständnisvoll, während seine Gattin Sabine schon etwas kratzbürstiger rüberkommt und es „nicht über sich bringt“, bei der deutschen Nationalhymne aufzustehen. Dafür sind ihre 25 Fotografien, die das Buch textnah illustrieren, große Klasse. Alles in allem: Für Amerika-Anfänger ermöglicht das Buch eine ideale Vorbereitung auf eine USA-Reise. Es ist aber auch für Fortgeschrittene geeignet – ich selbst habe dieses Buch im Vorfeld meiner fünften USA Reise gelesen und noch immer reichlich Neues erfahren.