Der britische Autor Bill Bryson gehört zweifellos zu den erfolgreichsten Reiseschriftstellern der Welt. Seine Markenzeichen sind der Bryson´sche Humor und die Bryson´sche Perspektive. Der Bryson Humor ist nicht jedermanns Sache. Er funktioniert mitunter wie ein Bügeleisen, mit dem ein Hemd (der Witz) immer wieder neu plattgebügelt wird, bis das Hemd fast verschwunden ist und es nur noch dampft. Die Brysonsche Perspektive bedeutet, dass der Autor sein eigenes, neckische Gemüt dem Leser wie eine Sichthaube überstülpt, bis er die Welt nur noch betrachtet wie ein erstauntes Kind.
Ich bin kein Anhänger des ersteren, weiß das zweitere aber durchaus zu schätzen. Bryson gelingt es tatsächlich, komplexe Sachverhalte in heiterer und lockerer Form lesegerecht aufzubereiten, ohne simpel zu werden. Das vorliegende Buch ist voller Bügeleisen-Witze, bietet aber zugleich eine unterhaltsame und gut recherchierte Einführung in die australische Geschichte, Gesellschaft, Geografie und Zoologie, die auch dem Australienkenner noch Neues sagen kann – und das immer locker durchsetzt mit Brysons Befindlichkeiten im Angesicht seines Gegenstands. So steht er am Echo Pont in den Blue Mountains an einem dunstigen Regentag, leidet Todesängste bei einem Bad am Manly Beach und fürchtet sich vor Spinnen aller Art. Er beschreibt die „Overkill-Kapazitäten“ der Trichterspinnen, die Heimtücke der Leistenkrokodile und die Gefährlichkeit des Helmkasuars, der mit seinen Krallen wie ein Raptor gefährliche Verletzungen zufügen kann. Die Geschichte von der Überquerung der Blue Mountains liest sich ebenso unterhaltsam wie die Darstellung der Ned Kelly Saga oder seine Klagen über das unsäglich langweilige Canberra. Bryson besucht die Riesenwürmer von Gippsland (drei Meter lang und 15 cm breit), begegnet Schnabeltieren im Kings Park von Perth und Baumkängurus im Daintree Forrest. In der Nähe von Sorrento an der Phillips Bay besucht er den Strand, an dem der australische Premierminister Harold Holdt 1967 spurlos im Meer verschwand, am Great Barrier Reef spürt er dem rätselhaften Tod eines Taucherpaares nach. Zu den interessanten Passagen des Buches gehört Brysons Reise durch Westaustralien, unter anderem zur Shark Bay, wo er sich in Gestalt der Stromatolithen dem Ursprung allen Lebens gegenübersieht. Nicht minder spannend ist die Geschichte der Batavia und ihrer duchgeknallten Mannschaft, die sich nach einem Schiffbruch beinahe selbst umbrachte. Mit einem Wort: Australien ist nicht nur unglaublich groß und leer, nicht nur gefährlich wegen seiner Tiere, seines Wetters und der Meeresströmungen, sondern aktuell und geschichtlich und immer für eine Überraschung gut. Wirklich ernst wird der Autor nur, wenn er auf die Aborigines zu sprechen kommt, deren Kultur er hemmungslos bewundert. Noch ernster wird er, wenn er über die Verfolgungen und Massaker berichtet, denen die Ureinwohner im 19. Jhdt ausgesetzt waren. Die schockierende Geschichte vom Myall Creek Massaker habe ich sonst noch in keinem Buch gefunden. Alles in allem ein ganz ausgezeichnetes Reisebuch, das meine bisher eher skeptische Beurteilung Bill Brysons komplett veränderte.