Boa Vista – Kapverdische Perle im atlantischen Ozean
Welches Land ist gleich weit von Lissabon wie von Havanna entfernt? Welches Land ist das kleineste Land Afrikas? Und welches Land hat mit Casaria Evora die mit Abstand bekannteste Sängerin Afrikas hervorgebracht? Richtig: die Kapverdischen Inseln.
Kap Verde ist die geografische Bezeichnung für die Westspitze Afrikas, und auch wenn es an diesem Kap an der afrikanischen Küste schon nicht sonderlich grün ist, sind es die Kapverdischen Inseln, die etwa 400-500km westlich vom Kap Verde im Atlantik liegen, schon gar nicht. Einige sind vulkanisch-rot, die meisten sandig und karg und nur die nördlichen Inseln, die am meisten Regen abbekommen, sind einigermaßen grün. Insgesamt handelt es sich um neun bewohnte und sechs unbewohnte Inseln, auf denen insgesamt gut eine halbe Million Menschen leben, ein bunter Mix des ehemaligen portugiesischen Kolonialreiches: Lusitanier, Juden aus Marokko, Westafrikaner, Inder aus Goa, Chinesen aus Macao und auch reichlich Kariben. Sie sprechen eine portugiesische Variante des Criollo, sind überwiegend kaffeebraun, gastfreundlich und musikalisch. Die Hauptinsel der Kapverden ist Santiago, auf der über die Hälfte der Einwohner lebt und auf der sich auch die Hauptstadt Praia befindet.
Entdeckt wurden die Kapverdischen Inseln um 1460 durch die portugiesischen Kapitäne, die im Auftrag von Heinrich dem Seefahrer die afrikanische Küste auf dem Weg nach Indien erforschten. Eine Zeitlang waren die Inseln der turbulente Umschlagplatz für den Skalventransfer zwischen Westafrika und der Karibik, später fungierten sie als Kohlestation für das britische Empire und als Anlaufpunkt des transatlantischen Salzhandels. Arm sind die Kapverden immer geblieben, zeitweise sogar so arm, dass Massenhungersnöte noch im 20. Jahrhundert Zigtausende von Toten forderten, was die portugiesische Regierung vor den Augen der Welt zu verschleiern sichte.
Man sieht, besonders dankbar müssen die Kapverden dem portugiesischen Mutterland nicht sein, und als das Land 1975 selbständig wurde, weinte den Portugiesen niemand eine Träne nach. Regiert wurde Cabo Verde, so der offizielle Landesname, zunächst von einer moderaten kommunistischen Partei, ehe das Land in den ersten freien Wahlen nach 1990 sich eine bürgerliche Regierung wählte. Seit diesem Machtwechsel hat sich der Taktschlag des Insellebens stark verändert: Straßen und Tiefseehäfen wurden gebaut, Hotels entstanden und der Tourismus wurde zu einem der wirtschaftlichen Säulen der kapverdischen Wirtschaft. Inzwischen gibt es fast 200 Hotels auf den Kapverden, und jedes Jahr steigt die Anzahl der Touristen, die nur fünf 5-6 Flugstunden von zuhause ein „Afrika light“ erleben wollen.
Über 80 % von ihnen fahren auf die Sonneninseln Boa Vista und Sal, zwei Inseln im Westen des Archipels, auf denen es praktisch nichts gibt außer puderweißen Superstränden, an denen sich die Gäste aus Deutschland, Italien, Frankreich und Großbritannien von Stress, Krach und Kälte ihrer emsigen Heimatländer erholen können. Auch wir waren im Dezember auf Boa Vista, einer etwa 620qkm großen Insel, und um es mit eine Wort zu sagen: wir waren angetan!
Zuerst und vor allem waren wir angetan von den Menschen. Der Kapverde, dem auf Boa Vista, begegnet, ist ein ungemein gut aussehender, gesunder und geduldiger Mensch. Obwohl er es nicht leicht hat, begegnet er den Gästen aus Übersee mit Freundlichkeit und Nachsicht. Die Kinder sind von berückender Schönheit und der Stolz ihrer Familie, die
Frauen sind selbstbewusst und würdig und halten in ihrem Verhalten genau die Mitte zwischen der Unterwürfigkeit, wie man sie in den islamischen Ländern antrifft, und europäischem Femen-Getue. Obwohl es ein hartes Stück Arbeit ist, die Versorgung der Touristen logistisch sicherzustellen, war der Service, den wir kennengelernt haben, ganz ausgezeichnet.
Die bedeutendste Sehenswürdigkeit Boa Vistas ist zweifellos der Hauptort Sal Rai, ein zauberhaftes kreolisches Nest im Nirgendwo, das auch in Brasilien oder auf Kuba liegen könnte. Eine palmengesäumter Hauptplatz mit der Kirche Santa Largo Insabell, mit kleinen Geschäften und Guesthäusern bildet das Zentrum des Ortes, ein malerischer Hafen geht weiter südlich in einen lang gezogenen Strand über, an dem man frischen Fisch zu einem Spottpreis ordern kann. Während unseres Besuches standen jede
Menge Frauen vor einem weißen Zelt, das auf der Hauptstraße aufgebaut war, um sich verhütungstechnisch beraten zu lassen. Die knackigen jungen Burschen saßen derweil auf den Parkbänken, als hätten sie mit dieser Sache überhaupt nichts zu tun. Manch einer von ihnen wird ein „besuchender Vater“ sein, d. h. ein junger Mann, der mit einer frau liiert ist, die aber mangels Wohnraum bei ihren Eltern lebt. Wechselt die Beziehung, bleibt die Tochter weiter im Haus ihrer Eltern wohnen, empfängt dann nur einen anderen „besuchenden“ Vater, um mit ihm einen neuen Schwung Kinder zu zeugen. So wachsen in einem durchschnittlichen kapverdischen Haushalt jede Menge Pänz heran, deren Väter kommen und gehen, während nur die Mutter und die Großeltern blieben.
Die meisten Besucher, die nach Boa Vista kommen, lassen sich jedoch vorwiegend in einem der guten Hotels verwöhnen. Unser Hotel war das Sal Rai Marine Beach Club Hotel, es lag nördlich von Sal Rai und war eine von Italienern geführte Anlage direkt am Ozean, in der auf genau die richtige Balance zwischen Animation und Ruhe geachtet wurde. Herrlich war es morgens auf der Empore des Hotels direkt am Meer zu frühstücken oder abends den Sonnenuntergang bei einem Sundowner zu beobachten. Wer nicht den ganzen Tag am Strand liege wollte, konnte Tagestouren über die Insel unternehmen, entweder organisiert in Gruppen oder auf eigene Faust.
Wir haben es auf eigene Faust mit einem Taxifahrer versucht, der zwar schrecklich schielte, der sich aber mit seinem Pickup als versierter Guide erwies. Im offenen Pickup ging es zunächst nach Rabil, der alten Inselhauptstadt, die aus Furcht vor den Piraten auf einer Anhöhe erbaut worden war und in der es eine recht bescheidene Töpferwerkstatt zu besichtigen gab. Rund um Rabil ermöglichten bescheidene Grundwasservorräte eine Art Oasenwirtschaft: Palmen, Ziegen, Leute mit Schubkarren, in denen kleine Kinder hockten, Brunnen und grellbunt angemalte Häuser boten das ansprechende Bild afrikanisch-kreolischer Provinzialität. Nördlich von Rabil begann die Desierto Viana, eine Miniaturwüste im Landesinnern, über deren Dünen unser Fahrer wie ein Kamikaze hinauf- und herunterpeste, wobei er offenbar unterstellte, dass uns das besondere Freude bereiten würde. Inmitten der Dünen wurde kurz gehalten, man lief ein wenig durch den Sand und haute gleich wieder ab, ehe die Horden von Andenkenverkäufern heranstürmten, die hinter den Büschen auf die Touristen warteten. Beeindruckend war die Costa de Boa Esperanza, eine perfekt geschwungene fast 10 km lange Weißsandbucht im Inselnorden. Hier lebte weit und breit keine Menschenseele, nur die Brandung des Ozeans krachte mit beachtlicher Wucht gegen den Strand. Dem spanischen Frachter Santa Maria war diese Brandung im Jahre 1968 zum Verhängnis geworden. Das Schiff lief auf Grund und rostet seitdem nur wenige Meter vom Ufer entfernt malerisch vor sich hin , ein korrodiertes Stahlskelett, das aussieht wie ein Untier, das mit offenen Maul am Rande des Ozeans verendet.
Unsere Südtour unternahmen wir mit einem pechschwarzen Westafrikaner, der sich offenbar auf seiner Jungferntour befand und die Insel nicht wirklich kannte, so dass wir mit der Karte gemeinsam nach dem rechten Weg suchen mussten. Dabei gab es eigentlich kaum etwas zu verfehlen. Auf staubigen Straßen, die an die Wellblechpisten der Sahara erinnerten, ging es strait nach Süden, vorbei am Santo Antonia (374m) und dem Rocha Estanzia (354m) nach Santa Monica, dem schönsten Strand der Insel. Es handelte sich um eine goldsandige, topfebene, kilometerlange Sandfläche, die sanft ins Meer abfiel – leider ohne eine einzige Palme oder einen einzigen schattenspenden Baum im Umkreis von 10 km! Die anschließende Fahrt über den Sandstrand war der anregendste Teil der Südreise. Links zog der Ozean wie ein blauer Strich vorbei, rechts bildeten die südlichen Berge den Horizont und direkt um uns weit und breit nichts als Sand, Sand, Sand. An der Praia Varandhina ragten die Kalkfelsen malerisch ins Meer, und in Povacao Velha saßen die Männer auf den Simsen und hatten nichts weiter zu tun, als sich dann und wann das Gemächt zurecht zu rücken. Ansonsten war der gesamte Inselsüden von erschütternder Kargheit. Nichts als Sandfelder, Steine, Ginster und Gestrüpp, genau das richtige Biotop für die widerstandsfähigen kapverdische Ziegen, die hinter den Büschen standen und uns mit blöden Augen beobachteten. Eine solche Tour von etwa 4-5 Stunden entweder in den Norden oder in den Süden kostet übrigens pro Pickup etwa 50 Euro, ein satter Preis, den wir aber gerne zahlten, weil die Fahrer ihr Bestes taten, uns die Reize ihrer Heimatinseln einprägsam vorzugführen.
Geistlicher Höhepunkt unseres Aufenthaltes war die Sonntagsmesse in der katholischen Kirche von Sal Rai. Was der Pfarrer, der freundlich grinsend an der Kanzel stand, erzählte, konnten wir natürlich nicht verstehen, dafür waren die kleinen Mädchen, die prächtig herausgeputzt den Gottesdienst an der Seite ihrer Väter und Mütter besuchten, eine reine Augenweide. Sie hatten Riesenaugen wie Schmetterlingsflügel, eine Haut aus Milch und Honig und blendend weiße Zähne, mit denen sie immerfort lachten. Es wurde gesungen, gejauchzt und geklatscht und der lokale Hammondorgelspieler legte sich mächtig in die Tasten, als am Ende des Gottesdienstes der Priester an der Spitze seiner geistlichen Equipage feierlich die Kirche verließ.
Reisehinweise: Bei den gängigen Anbietern ist eine Woche Boa Vista mit Halbpension für 800-1000 Euro pro Person zu buchen. Meist fliegt man von einem deutschen Flughafen aus zuerst nach Gran Canaria (4 Stunden), um dort umzusteigen und in weiteren 2 Stunden die Kapverdischen Inseln zu erreichen. Malariapropylaxe ist nicht erforderlich, das gesamte Archipel ist ebolafrei. Bezahlt werden kann problemlos mit Euro, der während unseres Aufenthalts im Verhältnis 1 zu 110 zum kapverdischen Escudo stand.