Lienemann: Weisheit im Buschtaxi

Lienemann Weisheit im Buschtaxi 0_Bei dem vorliegenden Buch handelt es sich um eine peppig und unterhaltsam geschriebene Landeskunde für Senegal Einsteiger. Die Diktion wechselt zwischen  informativen, beschreibenden Passagen und locker erzählten Anekdoten, die die Lebenswirklichkeit des Landes besser erklären als manche Statistik. Geschmackssache sind die gelegentlich eingestreuten fingierten Einheimischenbeiträge, die die Perspektiven  umkehren und zeigen sollen, wie die Senegalesen die Weißen (die„Toubab“) sehen. Das ganze Buch atmet eine starke Zuneigung des Autors zu seinem Zielland, was  jedem Reisebuch guttut, ohne dass der Autor vor der gelegentlichen Schlitzohrigkeit der Senegalesen die Augen verschließen würde. Denn einen Fehler darf der Reisende nicht machen: er darf die Wolof, Mandinga, Lete oder andern Völker, die den Senegal bewohnen, nicht für dumm halten. Ganz im Gegenteil: es handelt sich nicht nur um eine schöne, sondern auch um eine ungemein intelligente, kreative Bevölkerung, was auch bei der einen oder andern Übervorteilung zum Tragen kommt: Dafür Beispiel aus dem vorliegenden Buch: Man wird bestohlen, wehrt sich, ruft laut nach der Polizei. Unvermittelt erscheint ein „Polizist“, ergreift den Dieb und das Diebesgut, ruft ein Taxi herbei und verschwindet mit dem Ruf „Kommissariat, Kommissariat“ zusammen mit dem Dieb auf Nimmerwiedersehen. Kleinkriminalität als szenisches Theater. Aber auch die Sprichwörter haben es in sich:   „Wenn du dem Affen Streichhölzer gibst, brennt heute noch der Wald“  oder noch etwas zugespitzter: „Der Affe ist nicht hässlich, er ähnelt nur seinem Vater.“

Auch als Ratgeber für eine selbständige Durchreisung erfüllt das Buch seinen Zweck. Nimmt man eine Pirogge, was nicht unbedingt zu empfehlen ist, muss man sich darauf einstellen, dass es immer mindestens drei Beteiligte gibt:  einen, der kommandiert, einen der steuert und einen, der das Wasser aus dem lecken Boot schöpft. Wer ein Sammeltaxi nimmt, muss warten bis es voll ist, vorher geht es nicht los. Der Beifahrersitz in einem „Septplace“ (einem siebensitzigen Peugeot) kann nur begrenzt empfohlen werden, denn er ist zwar am bequemsten aber im Falle eines Unfalls auch am gefährlichsten. Dass gilt umso mehr, als die Führerscheinprüfung oft nur in dem Austausch eins Geldbetrages besteht. Ein Unterricht fand nicht statt. Achtung für Leute, die vom Süden des Senegals über Gambia  in den Norden reisen. Man erhält oft keinen Ausreisestempel, wird dann als vermeintlich Illegaler  im Norden aufgegriffen und muss eine saftige Strafgebühr löhnen. Viele Senegalesen leben von ein oder zwei Reismahlzeiten am Tag, wobei der Reis nicht selbst angebaut, sondern als billiger Importreis aus Thailand eingeführt wird. Überall sieht man bettelnde Kinder, die einen Teil ihrer Einnahmen an einen Marabut abgeben, der ihnen dafür den Koran übermittelt. Pädagogischer Eros auf senegalesisch. Sehr großen Raum widmet das Buch der  Schilderung der Hochzeitsbräuche, wobei mir besonders die Szene gefiel, die das symbolische  Gerangel der Brautleute um einen Teller Hirsebrei beschreibt. Der Ehemann gewinnt, und die Rollen sind ein für alle Mal  geklärt. Wenn es doch im Westen auch so einfach wäre. Immer wieder liest man Berichte darüber, dass zum Beispiel mehrere Kleinstädte in Europa ein Dorf im Senegal mit Geldspenden unterstützen  Wenn aber die guten Onkels und Tanten aus Europa aber anreisen um die Früchte ihrer Spenden zu besichtigen, wird ihnen immer nur der gleiche Brunne gezeigt.  Der Autor selbst hat in seiner Güte ein Batteriesammelprojekt ins Leben gerufen, um die Umweltschäden durch Auslaufen der Batterien zu verhindern. Die Kinder, die diese Batterien zu den Sammelstellen brachten, wollten dafür natürlich  Bargeld sehen. Diese und ähnliche Erfahrungen hinterlassen ihre Spuren bei den Europäern, die länger im Lande leben. Bei  ihnen stellt der Autor eine gewisse „Verbuschung“ fest, d. h.eine Anpassung an die Verhaltensweisen des senegalesischen Alltags, als da sind:   schlurfender Schritt, Toilettengang ohne  Toilettenpapier, keine Rasur, wirre Haare und  ungepflegte Kleidung. Komisch, denkt man. Diese Art der Verbuschung gibt es doch auch bei hiesigen Junggesellen.

 

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