Anrczeywski: Asche und Diamant

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Anrczeywski: Asche und Diamant

Der vorliegende Roman führt zurück an das Ende des 2. Weltkrieges. Wir befinden uns in einer fiktiven polnischen Stadt, die bereits von der Roten Armee eingenommen wurde. Die deutsche Kapitulation ist nur noch eine Frage von Tagen. Aus allen Lagern, Verstecken, Untergundkampfgruppen kommen die Menschen wieder ans Licht – allesamt gezeichnet fuers Leben, weil sie das, was sie gesehen haben, niemals werden vergessen können. Manche sind gebrochen für immer, sie sind zu „Asche“ geworden, manche aber wurden im Feuer der Zeit zu „Diamanten“ gehärtet (so die Anspielung des Titels, der sich auf ein berühmtes polnisches Gedicht bezieht). Aber ganz gleich, ob Asche oder Diamant, alle haben Verluste zu beklagen: der Mann, die Frau, die Kinder, die Eltern sind umgekommen, jeder hat Angehörige verloren oder sucht nach ihrem Verbleib. Auch die Frau des hochrangigen kommunistischen Parteisekretärs Sczcuka wurde in einem deutschen Lager ermordet, doch er will weiterleben, weiterkämpfen fuer ein besseres, ein kommunistisches Polen.
Man sieht, die Geschichte kommt schon in der Grundstruktur mit einer derben kommunistischen Schlagseite daher, die heute, nach der Aufdeckung all der kommunistischen Verbrechen auch im Nachkriegspolen nur schwer erträglich ist. Und doch handelt es sich nicht um primituve Agitpropliteratur – und zwar, weil auch die Gegenseite  (wenngleich in Grenzen) ihr literarisches Recht erfährt. Die polnischen Nationalisten, die liberalen Bürgersöhne und die Angehörigen der wohlhabenen Bourgeoisie erscheinen als glaubhafte Charaktere, und es spricht für die Ausgewogenheit des Autors, dass es auch auf der heroischen kommunistischen Gewinnerseite Karrieristen und Duckmäuser gibt.
Trotzdem ist die Moral von der Geschicht´ natürlich klar- die faschistoiden Bürgersöhne haben mit einem neuen Polen nichts im Sinne, sie verharren ebensowie ihre unbelehrbaren Väter auf den Standpunkten der Vergangenheit und organisieren am Ende die Ermordung des kommunistischen Parteisekretares Szczuka. Kein Wort fällt uber die brutale Okkupation Polens durch die Rote Armee, über Katyn, die Vernichtung der Armia Krajowa durch die Russen oder die Untaten des Massenverbrechers Bierut. Zur Zeit seines Erscheinens, im Tauwetter der späten Fünfziger Jahre, aber war der Roman, der immerhin auch Kommunisten kritisierte und die Gegenseite ansatzweise differenzierte, revolutionär. Vor allem die Gestalt des Studenten Chlemicki, der mit der schönen Krzstina eine zauberhafte Liebesgeschichte erlebt und am Ende den Parteisekretär ermordet, will nicht in das primitve kommunistische Agitpropschema  passen.
So ist das Buch literaturgeschichtlich heute in erster Linie als Zeitdokument zu lesen, als ein Beleg dafür, wie man im Gomulka-Nachstalinismus kommunismusimmanent den Umbruch im Polen des Jahres 1945 sehen durfte. Aber über das rein Zeitbezogene hinaus handelt es sich immerhin um einen literarisch anspruchsvoll geschriebenen und in seinen Handlungsfäden kunstvoll verschachtelten Roman, den man von der ersten bis zur letzten Seite mit Spannung liest.

 

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