Hans Schwalbe: Japan (Prestl Reiseführer)

IMG_8416Mit den Büchern ist es wie mit der Evolution. Nicht immer überlebt das Gute, manchmal setzt sich auch die Masse durch. Eine solche Reiseführerreihe von höchster Qualität, die wahrhaft Maßstäbe setzte, die Reiseführer aus dem Prestl Verlag aus München, gibt es schon lange nicht mehr. Diese Bücher glichen äußerlich kompakten Katechismen, überraschten aber, sobald man sie aufschlug, durch anspruchsvollen Schriftsatz und Bebilderung und waren, was die Texte anbelange, kaum zu schlagen. Aber sie erforderten von ihren Lesern eine Konzentration, als würden sie Lehrbücher studieren, mit reisepraktischen Infos hatten sie nichts am Hut, wie man hinkam, musste man schon selbst sehen, doch  im Hinblick auf Sachinformationen gab es nichts Besseres.  Leider hat sich die Zahl der Menschen, die sich so intensiv mit einem Reiseland auseinandersetzen und dafür auch einen stattlichen Preis  bezahlen wollen, letzten Endes als zu gering erweisen, so dass die Reihe eingestellt werden musste. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht ist, dass es die Einzelbände der Reihe bei den Gebrauchtbuchportalen der Internetanbieter  zu regelrechten Spottpreisen in erstaunlich gutem Zustand noch immer zu kaufen gibt. Den vorliegenden Prestl Band über Japan gibt es zum Beispiel bei Amazon gebraucht schon für 4,90 Euro. Intellektuell ergiebiger kann man sein Geld nicht anlegen.

Nach einer kurzen Einleitung übe die Besonderheit der japanischen Wesensart führt der Autor den Leser in  sieben großen Kapiteln – Natur, Shinto, Buddhismus, Samurai, Kunst und Kultur, patriarchalische Tradition, soziale Verhältnisse und Politik – durch die Weiten der japanischen Geschichte und Kultur – und zwar so, dass er stets mit einer systematischen und gut verständlichen Einleitung beginnt, um anschießend das soeben Ausgeführte anhand von „Geschichte und Geschichten“ zu vertiefen. Wie detailliert es dabei zur Sache geht, offenbart schon das erste Kapitel über die Natur der japanischen Inselwelt. Klimaverhältnisse, Meeresströmungen, Bodengestalt, Fruchtbarkeit, Tektonik, Tierwelt und Fischreichtum, kaum ein relevanter Aspekt für ein umfassendes Verständnis der  japanischen Geografie wird ausgespart. Und so verhält s sich auch bei den anderen Kapiteln. Am interessantesten erschien mit das umfangreiche Kapitel über den japanischen Buddhismus, der unter den buddhistischen Schulen Asiens insofern eine Sonderstellung einnimmt, als er sich in Japan mit dem autochthonen Shintoismus verband  und für den Buddhismus eigentlich untypische aggressiven Mönchsorden hervorgebracht hat, die jahrhundertelang eine Plage der japanischen Geschichte waren. Aus heutiger Sicht weniger ergiebig sind die beiden letzten Kapitel über Gesellschaft und Politik. Die Verhältnisse haben sich seit den Achtziger Jahren, in denen das Buch erschien, doch erheblich gewandelt. Was die Grundzüge der japanischen Kultur jedoch betrifft, ist das Buch noch immer allererste Wahl. Von keinem Buch, das ich vor meiner Japanreise gelesen habe, habe ich mehr profitiert.