Naipaul: Indien. Ein Land in Aufruhr

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Ein Buch für ein ganzes Dutzend Indien-Reisen, denn an einem Stück ist es nicht zu lesen. Ein Indienkompendium, wie es kein zweites gibt: ein Milliardenvolk zwischen zwei Buchdeckeln – und das nicht als trockene Analyse sondern als gigantische Reportage, in der alle nur denkbaren Perspektiven des indischen Lebens ihre Stimme erhalten. Naipaul ist in ganz Indien unterwegs und befragt seine Gesprächspartner mitten im Slum oder in ihren Luxusappartments, an den Flughäfen, den Stränden oder in den Tempeln und Gefängnissen. Jeder, der glaubt, er kenne Indien, der lese dieses Buch, und er wird schnell bescheiden werden. Unter den vielen Höhepunkten des Buches hat mich das Portrait von Dr. Ambekar, dem Führer der Unberührbaren, am meisten fasziniert. Aber auch die Passagen über die Kontaktanbahnung mittels Heiratsanzeigen, das Leben in den Slums von Bombay, die tropische Architektur oder die Stadt Kalkutta, „die Hölle auf Erden“ fesseln jeden Leser.

Der einzige „Nachteil“ des Buches liegt in seiner Fülle. Nicht für alle detaillierten Ausführungen hat der Leser jederzeit Interesse, dann einfach weglegen und auf der nächsten Reise weiterlesen. Eigentlich ein Buch, das Empfindungen hervorruft wie Indien selbst: mal ist man erschöpft und möchte Naipaul in die Ecke werfen, mal fasziniert und kann nicht genug bekommen. Auch die Übersetzung des Buches ist wie das indische Essen: keineswegs immer ein nur ein Leckerbissen.

 

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