Lapierre: Stadt der Freude

IMG_0914

Lapierre: Stadt der Freude

Dieses berühmteste Buch über die indische Millionenmetropole Kalkutta entwickelt das Portrait der Stadt an zwei ungewöhnlichen Lebensläufen, dem des Bauern Hasari Pal und des französischen Armenpriesters Lambert. Der Franzosen Lambert zieht aus eigenem Antrieb in das Elendsviertel von Anand Nagar, einem großen Slum in der Nähe des Howrah Bahnhofes von Kalkutta, um dort als Bruder unter den Ärmsten der Armen zu leben. Wozu sich der Westler freiwillig entschließt, dazu wird der Bauer Hahsari Pal gezwungen. Nachdem die Unwägbarkeiten des Klimas, des Bodens und die Korruption der indischen Justiz ihn von seinem Land vertrieben haben, bleibt ihm kein anderer Ausweg, als mit seiner Frau und seinen beiden Kindern nach Kalkutta zu gehen, „der Hölle auf Erden“, die für Pater Lambert jedoch „eine Stadt der Freude“ ist. Diese Differenz der Perspektiven, entfaltet in wechselnden Szenen aus beiden Lebensläufen, hat für den Leser etwas zutiefst Bestürzendes, Befremdliches, aber auch mitunter etwas Unglaubwürdiges, weil immer, dann, wenn es ganz schlimm wird, der Zuckerguss der Nächstenliebe aus der Wundertüte springt. Trotzdem bleibt das Buch als eine Dokumentation entarteter Urbanität ein Meilenstein der Sozialreportage – und das auch gleich dreifache Weise:
a) als Darstellung des indischen Lebens im allgemeinen – etwa des Monsuns ( 22, 476, 483ff.), der Rituale des Abtritts (87), des Chili (145), der Bürokratie ( Kap. 29 ) der Kali ( 268), der Zustände im Sommer (338-343) und der Eheanbahnung ( 498-510) sowie der Position der indischen Tochter ( 455ff. ) b) als Darstellung von Elend und Krankheit – z. B. der Krankenhäuser (242-252), des Fötenhandels ( 203), der Cholera ( 244), der Leprakranken (264, 303ff.), der Unterernährung (367), der Kakerlaken (376)
und c) ganz besonders als Darstellung des Lebens eines Rikschafahrers ( z. B. Ursprung der Rikscha (S. 114) – Alltag eines Rikschafahrers 164ff. RikschaGewerkschaften (217) und der Rikschastreik (240ff. ).
Nicht unbedingt eine literarische Meisterleistung, aber eine Dokumentation, die niemanden unberührt lässt, meilenweit entfernt von der Selbstbezüglichkeit und dem kulturellen Autismus von Günter Grass „Zunge Zeigen“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert