Sally Hovey Wriggins: Reisende auf der Seidenstraße

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Sally Hovey Wriggins: Reisende auf der Seidenstraße

Mit manchen Büchern geht es einem mitunter wie mit seinen Reisezielen. Erst ist man begeistert, sie zu kennenzulernen, dann enttäuscht und schließlich wieder versöhnt. Genauso verhält es sich mit dem vorliegenden Buch, in dem Sally Hovey Wriggins jedem Asienliebhaber einen geheimen Wunsch erfüllt: endlich einmal die große Reise des „chinesischen Marco Polo“ Xuanzang durch die asiatische Welt des 7. Jhdts. in einer zusammenfassenden Reisebiografie nachzulesen.
16 Jahre lang war der chinesische Mönch Xuanzang im siebten Jahrhundert auf der Suche nach der wahren Lehre des Erleuchteten durch Indien, China, Afghanistan und Zentralasien, gepilgert, ehe er sich – nach Xian heimgekehrt – im Weiße-Gans-Kloster zur Ruhe setzte und seine Reise auswertete.
Ich bin Xuanzang einen Teil dieser Strecke mit dem Buch in der Hand nachgereist und habe in Bodh Gaya, Sarnath und Turfan die Orte nicht nur mit meinen eigenen Augen sondern auch mit denen Xuanzangs gesehen. Insofern bietet das Buch wie die Erinnerungen aller großen Reisenden, deren Spuren man folgt, einen mehrfachen Ertrag: das Reiseerlebnis wird gleichsam mehrfach „belichtet“ und aus der Gegenwart in eine Vergangenheit transponiert, wo es Tiefenschärfe und Prägnanz gewinnt.  So sehe ich die Welt am liebsten.
Schade, allerdings, dass die Autorin auf jede historisch-kritische Distanz zu den chinesischen Quellen verzichtet . Dass Xuanzang als junger Mönch gleich am Beginn seiner Reise von Königen und Kaisern wie ein Heiliger hofiert worden sein soll, entspricht der chinesischen Überlieferung, hat aber mit der historischen Wirklichkeit natürlich nichts zu tun. Dass das Buch trotz seiner hagiographischen Tendenz über weite Passagen trotzdem zu fesseln vermag, liegt an seiner durch und durch jugendbuchartigen Dramaturgie: Stürme und Wunder, ausweglose Lagen, die sich unerwartet auflösen, das Ambiente großer Reiche und Herrscher reihen sich aneinander wie die Elemente einer Heldensage, die sich vor den Augen des staunenden Lesers entrollt. Wer eine solcherart präsentierte Reise durch Asien zugleich genießen und der Autorin ihre geradezu naiv anmutende Bewunderung für Xuanzang nachsehen kann, wird durch das belohnt, was die eigentliche Stärke des Buches ausmacht: eine ausgezeichnet entfaltete und exzellent bebilderte Einführung in die buddhistische Kunst vor der Kulisse ihrer Originalschauplätze.
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