Klaus Bednarz: Am Ende der Welt. Eine Reise durch Feuerland und Patagonien

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Die ideale Einführung in die Welt des Großen Südens

Ausgestattet mit den üppigen Mitteln des öffentlich rechtlichen Fernsehens bereist Klaus Bednarz, der Chefreporter des WDR und Autor der viel gerühmten „Ballade vom Baikalsee“ nunmehr Patagonien und Feuerland – und das in einer Vollständigkeit, der gegenüber man fast neidisch werden könnte.  Vom alten Grenzfluss Bio Bio über die eisigen Fjorde Südchiles bis nach Ushuaia und Kap Hoorn führt die Reise an das viel beschworene „Ende der Welt“, das sich vielerorts auch tatsächlich so darbietet – voller Einwanderer, Indianer, Robben, Wale, Ölboranlagen, Krabbenfischern, Schafzüchtern und Naturwundern, die das Herz mehr erschrecken als erfreuen. Als gewiefter Didaktiker weiß Bednarz aber auch, dass er seine Lesergemeinde nicht überfordern darf, so dass er seine Informationen gut dosiert in drei Formen anbietet:   – als Landschaftsimpression, als Skizze geschichtlicher Hintergründe und – das vor allem – als Gesprächsnotizen. Indianer, Fischer, Farmer, Soldaten, politischen Aktivisten und viele andere mehr erzählen dem Autor, wo immer er sie auch fragt,  ihre Sicht der Dinge, so dass sich der Leser aus der Gesamtheit dieser Mitteilungen sein eigenes Bild machen kann.   Mit eigenen Wertungen hält sich Bednarz erfreulich zurück, und seine Fragen sind immer so  allgemein gehalten, dass seinen Gesprächspartnern genügend Raum verbleibt, sich ganz nach ihrem Gusto auszulassen.

Bednarz reist zunächst durch die Bio Bio Region, wo er einem Indianerfest beiwohnt und die Funktion von Lonko (Häuptling) und Machi (Muhme) erklärt. Im Fährhafen von Puerto Montt beginnt auf der  „Magellanes“ die 2.300 km lange Bootsfahrt nach Puerto Natales, mitten hinein in die Agonien der Seekrankheit und vorbei an der „Straße der Elefanten“, dem „Golf der Leiden“, dem „Hafen Eden“ bis zum „Fjord der letzten Hoffnung“.   Das Schiff passiert die Ostküste der bitterarmen Insel Chiloe, deren Bewohner sich in den Sommermonaten im Süden als Schafscherer verdingen müssen und erreicht die Byroninsel, wo John Byron, der Großvater Lord Byrons 1741 Schiffbruch erlitt und auf abenteuerlichem Weg bei den Kaweshkar-Indianern überlebte.   Robben und Orcas sind zu sehen, hier und da auch Fischer, ansonsten gleicht die Landschaft der südchilenischen Fjorde einer feuchten Welt wie am ersten Schöpfungstag.

Puerto Natales, der Ort am Ende des „Fjordes der letzten Hoffnung“, lebt vom Tourismus und der Anziehungskraft des 120 km entfernten Torre del Paine Nationalparks. Südlich von Puerto Natales beginnt die Region der Schafzucht, die britischen Einwanderer um 1880 einführten.  Den Zum Opfer dieser wirtschaftlichen Entwicklung wurden allerdings die Indianer, denen man nicht nur das Land wegnahm,  sondern die durch die verbrecherischen Gewaltorgien der Neusiedler und eingeschleppte Krankheiten fast vollständig ausgerottet wurden. Aber auch die Schafzüchter haben mittlerweile wenig zu lachen: In der letzten Generationen wurde die Graskrume schwer beschädigt, so dass sich der Weidebedarf pro Schaf verdoppelt hat.  Außerdem befinden sich die Wollpreise unter Druck, allerdings steigt seit dem Ökohype in der westlichen Welt wenigstens der Fleischpreis wieder.  Gauchos (chilenisch: Ovjeros) arbeiten auf den Estanzias, treiben mit ihren Hunden die Schafe zu Winter- und Sommerweiden und einmal im Jahr zur Schur, die  die wandernden Schafscherer aus Chiloe per Akkordarbeit erledigen

Punta Arenas, die neben Ushuaia südlichste Stadt der Welt  war vor der Inbetriebnahme des Panamakanals eine der wichtigsten Schifffahrtsstationen Südamerikas. Ein Besuch auf der benachbarten ehemaligen KZ-Insel Dawson, auf der während der Militärdiktatur politische Aktivisten eingesperrt waren, ergab wenig Anschauliches, weil die Armee längst alle Spuren beseitigt hatte.  Als ereignisreicher erweist sich demgegenüber eine stürmische Bootsfahrt auf der Magellanstraße bis zum „Sund der Wale“, in dem sich die Riesentiere alljährlich treffen und paaren.  Bei Puerto Delgado setzt Bednarz nach Feuerland über, wo bei Povenir noch ein bescheidener und beschwerlicher Goldabbau existiert. Nach einer Stippvisite bei den Krabbenfischern und einer Schafzüchtergenossenschaft passiert Bednarz bei San Sebastian die chilenisch-argentinische Grenze passiert und erreicht Rio Grande,  das 50.000 Einwohner zählende wirtschaftliche Herz Feuerlands. Hier leben unter anderem die Nachkommen der Selk´nam Indianer, die von der Regierung in Santiago  Entschädigung fordern, aber wenig Interesse zeigen, ihre aussterbende Sprache zu bewahren. Für die unübersehbaren Buchenwälder Feuerlands kämpft die Umweltorganisation „Finis Terrae“, die in der Auseinandersetzung mit  nordamerikanischen Holzkonzernen beachtliche Erfolge erzielen konnte.  Wie schön die Natur Feuerlands sein könnte, wenn alle Umweltfrevel verhindert würden, zeigt ein Besuch des Feuerland-Nationalparks mit seinen Regenwäldern, Klippen und Gletschern.

Ushuaia, die südlichste Stadt der Welt mit ihren 50.000 Einwohnern boomt  als  Elektronikfreihandelszone, Tourismuszentrum und Militärbase.  Ursprünglich lebten hier die Yamanaindianer, deren Kultur im 19. Jhdt. von Reverends Thomas Bridges untersucht wurde, der der Nachwelt ein Englisch-Yamana-Dictionäary mit 29.000 Wörtern hinterließ (Bei Chatwin waren es 32.000 Wörter)  Am Beagle Kanal ist Argentinien auch schon wieder zu Ende, denn die chilenische Marine bewacht die südlichen Ufer, so dass es sich als nicht ganz einfach erweist, nach Puerto Williams auf der chilenischen Navarino Halbinsel überzusetzen. Puerto Williams liegt übrigens noch etwas südlicher als Ushuaia, gilt aber mit seinen 2000 Einwohnern nicht wirklich als Stadt.  Immerhin existiert in Puerto Williams, das „südlichste Museum der Welt“, in dem man die Fotodokumentation des Missionars Martin Gusine über die Indianerkultur der Yamana besichtigen kann.

Die Reise an das Ende der Welt endet mit dem Versuch, Kap Horn zu erreichen. Die Reise mit dem Boot führt dabei zunächst auf dem Beagle-Kanal nach Osten, dann entlang der Navarinoinsel nach Süden,  bis man im Idealfall nach fünf Stunden und einhundertfünfzig Kilometern die KapHornInsel erreicht, einen vierhundert Meter aus dem Meer aufragenden nackten Felsen, auf dessen Gipfel sich seit 1992 das Albatros Denkmal befindet. Als die Landung beim zweiten Anlauf gelingt, trifft Bednarz auf der sturmumtosten Insel Claudia, die dort als Chefin des „Kap Horn Postamtes“ das ganze Jahr über mit ihrem Mann lebt.

 

 

 

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