Keller: Der Bush-Clan

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Keller: Der Bush-Clan

Es gibt kaum eine Sachfrage, in der sich Europäer aller Richtungen derart einig sind wie in der Verurteilung von Präsident Georg W. Bush. Seine Verdammung hat inzwischen auch auf die Bewertung der Präsidentschaft seines Vaters Georg Busch des Älteren abgefärbt, und manche packen auch noch den relativ liberalen Großvater Prescott Busch in den gleichen Sack. Wo sich der (demokratische ) Mythos der Kennedys trotz aller inzwischen aufgedeckten Affären noch immer behauptet, erscheinen die (republikanischen) Buschs wie eine Ausgeburt der Hölle, die wie eine Heimsuchung über das unschuldige Amerika kam.
Die amerikanische Schriftstellerin Kitty Kelley hat eine monumentale 750seitige Geschichte des Busch Clans vorgelegt, in der sie angefangen vom Aufstieg des Industriellen Samuel Prescott Busch(1863-1947) über seinen Sohn Prescott Busch ( 1875-1972) den biographischen Werdegang Georg Busch dem Älteren (geboren 1924 ) und seinem Sohn Georg Busch dem jüngeren ( geboren 1946 )anschaulich und detailliert nachzeichnet. Der Leser, der der Autorin in ihrer geradezu episch breiten Darstellung folgt, erhält nicht nur einen Einblick in den Aufstieg einer amerikanischen Dynastie sondern auch einen interessanten Überblick über nahezu in ganzes Jahrhundert amerikanische Innenpolitik mit all ihren Verwerfungen (Rassentrennung, Nord-Südstaaten-Problematik, Klassenprobleme). Korruptionsfällen und Krisen. Zahlreiche Phänomene, von denen man noch nie etwas gehört hat, sind in diesem Buch anschaulich beschrieben und eingeordnet – etwa die Wahlsteuer in vielen Einzelstaaten, die bis weit in das 20. Jahrhundert die ärmeren Schichten von der Wahl fernhielt, die unglaublichen Immobilienvertragsklauseln, die einen Verkauf an Juden und Farbige verboten oder die Bedeutung des GI-Gesetzes, das nach dem Zweiten Weltkrieg den Kriegsheimkehrern die Hochschulen öffnete.
In der Hauptsache aber dreht sich das Buch mit seinen 26 Kapiteln natürlich um die Buschs, genauer gesagt um Prescott Busch, den konservativ-liberalen Senator von Connecticut (1952-1962), seinen ältesten Sohn Georg Busch den Älteren ( geboren 1924), der seinen Weg in der Ölindustrie macht um dann in die Politik einzusteigen, wo er wie ein Stehaufmännchen immer höher klettert, bis er auf den Schwingen Ronald Reagans 1988 als 41. Präsident der USA ins Weiße Haus zieht – und Georg W. Busch, lange Zeit das Sorgenkind der Familie, der sein Geld durch Spekulation mit einem Baseballteam verdient und der nach einer alkoholisierten Jugend durch eine religiöse Bekehrung zu einem selbstdisziplinierten Politiker revitalisiert zum Erstaunen seiner Zeitgenossen trotz seiner mäßigen Yale-Abschlussnoten zuerst zum Gouverneur von Texas und schließlich nach einem der umstrittensten Wahlkämpfe der amerikanischen Geschichte im Jahre 2000 zum 43. Präsidenten gewählt wird.
Alles in allem also ein faktenreiches und interessantes Buch – nur leider kein unparteiisches. Nichts gegen eine engagierte Stellungnahme eines Autors für oder gegen ihren biographischen Gegenstand – dass man aber von der ersten bis zur letzten Seite immer aufs Neue die tief durchsäuerte Aversion der Autorin gegen die Buschs durchlesen muss, wird auf Dauer auch den buschkritischen Leser nerven. Buchstäblich jeder positive Befund, für die es vor allem bei Prescott und Georg dem Älteren jede Menge Belege gibt, wird durch eine kritische Anmerkung relativiert. Wenn Prescott Busch als liberaler Republikaner sich weigert, seinen Sohn George bei einem Gesetz zur Deregulierung der Ölfeder zu unterstützen, wird moniert, dass er in anderen Fällen nicht so ehrenwert war. Wenn Prescott Busch als einer der wenigen gegen den Kommunistenjäger McCarthy die Stimme erhebt, wird angemerkt, dass er zugleich mit Südstaatenrassisten gute Freundschaften pflegte. Sein Georg Busch der Ältere erlässt im Jahre 1990 revolutionär fortschrittliche Bestimmungen zur Besserstellung von Behinderten – warum aber, fragt die Autorin, war er dann so untätig in Fragen der Rassenintegration? Selbst die Tapferkeitsauszeichnung des älteren George Busch im zweiten Weltkrieg wird anhand eines absolut unseriösen Gewährsmannes in Zweifel gezogen. Dass die Autorin dann George Busch dem Jüngeren überhaupt nichts Positives mehr findet, versteht sich von selbst. Obwohl es auch hier im Hinblick auf die Besserstellung hispanischer Einwanderer manch Positives zu berichten gäbe.
Aber mit der Häme und Ätze in Büchern geht es einem manchmal wie mit kleinen Dosen von Gift – mit der Zeit gewöhnt man sich daran und überliest sie einfach. Wenn man einmal diesen Punkt erreicht hat, kann man die detaillierte Recherche der Autorin als Geschichtswerk erst sinnvoll auswerten. Man muss nur das Buch immer gerade halten, sonst träufelt einem der Hass aus dieser Hetzschrift auf die Hose.

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