Barley: Auf den Spuren von Mr. Spock

Balrey Toraja _Ein unglaublich bescheuerter Titel für ein ganz hervorragendes Buch. Den Kalauer, der den Übersetzer zu diesem Titel veranlasste, erspare ich mir. Im Original ist da Buch unter dem Titel „Not a Hazardous Spot“ erschienen. Das Buch beschreibt eine Indonesienreise in den Achtziger Jahren aus der Perspektive eines Ethnologen, genauer gesagt, eines typisch britischen Ethnologen, der die wunderbare Eigenschaft besitzt, seinen Gesprächspartner mit Interesse und Freundlichkeit entgegenzutreten und sich selbst nicht sonderlich ernst zu nehmen. Das Buch ist durchtränkt von wohltuender Ironie und Selbstdistanz als sei nicht nur der Indonesier als solcher sondern auch er selbst, der Ethnologe mit seinen Reaktionen auf die Fremde der Gegenstand der Beobachtung. Und es ist witzig, so witzig, dass man kaum ein Kapitel liest, ohne nicht ins Schmunzeln oder Lachen zu geraten. Bei einem Besuch des Zoo von Surabaya bemerkt Barley „Die Elefanten galten offenbar als Muslime und hausten in einer Art Betonmoschee“. Als er einem kleinen Jungen ein Geldgeschenk verweigert, „legte das Kind vor Konzentration seine Stirn in 1 (39)Falten und artikulierte in perfektem Englisch: Mister, alter Sau.“ Schon auf der Busfahrt zwischen Jakarta und Surabaya und noch intensiver auf der Überfahrt von Java nach Sulawesi entdeckt Barley das „Kuschel-Syndrom“, das daher kommt, dass die Kleinkinder durch das Einwickeln in sehr dicke Kissen ruhiggestellt worden waren, was bei ihnen als Erwachsene dazu führt, dass sie sich an Laternenpfahle und Mauern schmiegen und in Verkehrsmitteln ohne Scheu beieinanderliegen.

In Jakarta muss er die Technik des Straßenüberquerens lernen (blitzartige Blick zu Blick Verhandlungen mit dem Fahrer eines heranrasenden Fahrzeugs, ob er einen über die Straße lässt), auf der Fähre nach Makassar (damals noch Ujung Padang) 1 (30)registriert  Barley die Melancholie der Auswanderer, die von der Transmigrasipolitik entwurzelt werden. Das erste, was ihn in Makassar auffällt, sind unzählige gebrauchte Kondome und ein toter Hund im Hafenbecken. Seine Kontakte zu den Einheimischen sind überall so positiv, dass er sich selbst kritisch fragt, ob er nicht dabei ist, seine kritische Distanz zum Land zu verlieren. Indonesien tritt ihm wie eine Badewanne der Mitmenschlichkeit und Freundlichkeit gegenüber, nur wenn der Verdacht aufkommt, irgendwelche Warren könnten  aus Israel stammen, erfüllt Entsetzen und Schrecken die Menschen. Ähnlich verhält es sich beim Anblick betrunkener australischer Touristen, bei dem die Eltern ängstlich ihre Kinder an sich ziehen um sie vor diesen Monstern zu schützen. Besonders gut gefallen hat mir in diesem Zusammenhang folgende 4 (27) jpgAnmerkung: „Alle Völker zeigen sich als Touristen von der hässlichsten Seite. Sind die schlimmsten Leute Touristen oder bringt das Touristen bei den Leuten die schlimmsten Eigenschaften ans Tageslicht? Man wird das ungute Gefühl nicht los, dass man auch so einer ist, zumindest in den Augen der Einheimischen. Der Tourismus verwandelt fremd Völker in Dekorationsstücke, die fotografiert und gesammelt werden können.“

Der Hauptteil des Buches handelt von der Kultur der Toraja, die der Autor im Bus, zu Fuß oder auf dem Rücken eines widerspenstigen Pferdes erforscht. Wieder erlauben ihm seine  Sprachkenntnisse den Kontakt zu Einheimischen und Einblick in zahlreiche, teils kuriose, teils lehrreiche Rituale. Etwa über das Gemeinschaftsweinen beim Tod eines Angehörigen, den Wahnsinn durch die Lektüre zu vieler Bücher, das Markieren der Totenschädel mit dem Filzstift  oder die indonesische „Gummizeit“. Diese amüsante Erzählhaltung hindert den Autor aber nicht daran, exakt zu beobachten und zu beschreiben, was er sieht.  Wer also nicht nur schmunzeln, sondern auch etwas lernen will, ist bei dem vorliegenden Buch genau an der richtigen Adresse. Alles in allem ein Reisebuch der Extraklasse, auch wenn es schon ein wenig älter ist.4 (36)

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