Alles dreht sich um die Kokosnuss

In der Affenschule von Surathani

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Es war in meiner Studienzeit, als ich, auf einer grünen Wiese liegend, in Hannah Arendts Buch von der „Vita activa“ die triste Kunde las, der Mensch würde im fortschreitenden Prozeß der Moderne immer mehr zum ,,animal laborans“, zum Arbeitstier, das sich von der Schulzeit bis zum Alter mit schier endlosen Leistungsanforderungen herumzuschlagen hätte. Wie schön musste demgegenüber das Leben der Affen erscheinen, denn wussten diese unsere nächsten Vettern nicht alles Relevante, ohne zu lernen, ernteten sie nicht fast wie die Vögel, ohne zu sähen, und vor allem: gelang ihnen nicht fast immer in der Brunstzeit die Paarung, ganz ohne jemals eine Partnerschaftsberatung durchlaufen zu haben? Faulheit und Weisheit vermengt der Affe im indischen Märchen zu einer reizvollen Gestalt, wenn er auf den Tempeldächern sitzend über die Hektik der Menschen lacht.

Aber auch diese paradiesischen Zustände, denen ich unseren nächsten Verwandten aus dem Tierreich gerne gönnen wollte, gehen zuende – jedenfalls wenn das Beispiel von Mr. Somphon Saekhow Schule macht, der in Südthailand eine Schule für Affen betreibt. Freundlich lächelt der 1938 geborene Lehrer der Tiere bei der Begrüßung all der neugierigen Gäste, die es aus der ganzen Welt in sein merkwürdiges Klassenzimmer zieht, und gerne führt er die Besucherscharen durch das schöne palmengesäumte Schulungsgelände. Unverwandt fühlt man sich an Humboldtsche Bildungsideale erinnert, und fragt sich, warum nicht an diesem idyllischen Ort, nach einer leicht zu verändernden Maxime des großen preußischen Schulreformers die ,,gedeihlichste und proportionierlichste Ausbildung aller Anlagen des Affengeschlechtes“ angestrebt werden könnte. Doch Mr. Saekhow hält es eher mit Makarenko statt mit Humboldt, ihm geht es nicht um Affenbildung sondern um Berusausbildung und krisensichere Arbeitsplätze. Dazu muss man wissen, dass es in Thailand nicht nur alljährlich Millionen Touristen sondern in ebensolcher Regelmäßigkeit Millionen Kokosnusspalmen abzuernten gilt, und was liegt näher, als die intelligenten Schweinsmakaken, die sonst nur unnütz durch die Busche turnen, an der Erschließung dieser Reichtümer zu beteiligen? Zwar besteht noch keine Schulpflicht, doch nach Auskunft von Mr. Saekhow bringen immer mehr Affenbesitzer ihre begabtesten Tiere, die allerdings bei der Einschulung nicht älter als drei Jahre sein sollen, zur Ausbildung ins Affencamp. Können unsere Grundschulkinder von der täglichen Unterrichtszeit von einer Stunde nur träumen, so mutet das Curriculum in der Affenschule doch reichlich öde an: es dreht sich alles um die Kokosnuss. Sie ist Medium, Unterichtsgegenstand und Lernziel zugleich. Nur über die Kokosnuss sind für die kleinen Schweinsäffchen Belohnungen jeder Art zu erreichen, und ohne jemals etwas von Thorndikes Effektgesetz gelesen zu haben, praktiziert Mr. Saekhow dieses Grundgesetz allen Verhaltens mit jener beneidenswerten Konsequenz, die wohl nur außerhalb der menschlichen Gattung möglich ist.

Hat Ihnen dieser Anfang gefallen? Interessiert Sie der Ort, die Landschaft, die Geschichte? Weiter geht es in dem Buch „Der Garten der Welt. Reisen in Thailand, Burma, Laos, Kambodscha und Vietnam“, S. 72ff. 

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